Möglichkeiten zur Behandlung der T315I-Mutation: TKI und alternative Mechanismen

Chronisch-myeloische Leukämie (CML) ist eine Blutkrebserkrankung, die durch eine einzige genetische Abnormität charakterisiert ist. Die Translokation des Gens der Abelson (Abl) Tyrosinkinase von Chromosom 9 mit dem Bruchpunkt des Bcr-Gens auf Chromosom 22, woraus das Philadelphia-Chromosom entsteht, ist in mehr als 90% aller CML-Patienten nachweisbar. Diese Verschmelzung generiert ein Fusionsprotein, das die Tyrosinkinaseaktivität von Abl besitzt und ständig aktiv ist. Tyrosinkinasehemmer sind sehr erfolgreich in der gezielten Therapie. Trotzdem kann eine Resistenz, insbesondere in fortgeschrittenen Stadien der CML, auftreten. Eine der am häufigsten auftretenden Mutationen ist T315I. Zu deren Überwindung werden verschiedene Mechanismen geprüft.

Der Tyrosinkinasehemmer (TKI) Imatinib ist seit 2001 die Erstlinientherapie für CML. Die Tyrosinkinasehemmer der zweiten Generation (Nilotinib und Dasatinib) werden mittlerweile auch erfolgreich in der gezielten Therapie dieser Krankheit eingesetzt.

Trotzdem kann eine Resistenz, insbesondere in fortgeschrittenen Stadien der CML, auftreten, die von unterschiedlichen Mechanismen einschließlich Mutationen der Kinasedomäne des Enzyms, Bcr-Abl-Genamplifikation und von Bcr-Abl unabhängigen Mechanismen (z.B. Src-Kinaseaktivierung) verursacht werden kann. Bis heute wurden mehr als 100 Mutationen identifiziert, die man vier Regionen der Kinasedomäne von Abl zuordnen kann: der ATP-Bindungsschleife, dem Kontaktort, dem SH2-Bindungsort und der A-Schleife.

Um die mit Resistenzen verbundenen Probleme verstehen zu können, ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass Imatinib und Nilotinib an die geschlossene (inaktive) Molekülanordnung binden, wohingegen Dasatinib an die offene (aktive) Form bindet.

Eine der am häufigsten auftretenden Mutationen wird vom Austausch des Threonins an der Abl-Aminosäurenposition 315 im Zentrum des Imatinib-Bindungsortes durch Isoleucin, bekannt als T315I-Mutation, verursacht. Die T315I-Mutation führt zu einer Resistenz gegen Imatinib und die Mehrheit der Tyrosinkinasehemmer der zweiten Generation. Tatsächlich ist die T315I-Mutation oft bei Patienten, die einen Rückfall unter Therapie mit Tyrosinkinasehemmern der zweiten Generation erleiden, nachweisbar. T315I wird oft als „Torwächter“-Rest bezeichnet, weil es den ATP-Bindungsort von einer Bindungshöhle, die Imatinib oder Nilotinib beherbergt, abtrennt.

Eine Mutation in der "Torwächter"-Position wird auch als „pan-resistent“ oder die Achilles-Ferse der Tyrosinkinasehemmer bezeichnet und kann grundlegenden Einfluss auf die Bindungsfähigkeit kleiner Moleküle an die Kinasen haben. Die biologische Bedeutung von Mutationen an dieser Stelle ist auch mit der Tatsache verbunden, dass sie die (für die ungebremste Zellteilung wichtigen) Kinasefunktionen nicht deaktivieren.

Es wurde gezeigt, dass die Substitution von Threonin mit dem sperrigeren und hydrophoberen Isoleucin im Bcr-Abl sowohl eine für die Affinität der TKI wichtigen Wasserstoffbrückenbindung eliminiert und eine sterische (räumliche) Hinderung erzeugt, die die Einlagerung des Imatinib in der ATP-Bindungstasche verhindert. Außerdem wird die Flexibilität des Enzyms eingeschränkt und die für die Bindung des Imatinib wichtige inaktive Konformation destabilisiert. 

Der Bedarf für neue Strategien zur Behandlung resistenter CML-Formen, insbesondere solcher mit T315I-Mutation, hat viele Anstrengungen zur Entwicklung neuer Medikamente zur Behandlung dieser Krankheit stimuliert. 

Verschiedene Strategien, die durch die T315I-Mutation verursachte Resistenz zu überwinden, wurden in der Literatur beschrieben: Neue, von der Torwächter-Position unabhängige ATP-Bindungsorte, andere Bindungstaschen, oder nachfolgende/andere Signalwege der Zellvermehrung. 
Deshalb wurden Farnesyl-Transferase Inhibitoren, MAPK-Inhibitoren, Rac-Guanosin-Triphosphatase-Inhibitoren, KI3K-Inhibitoren, JAK-Inhibitoren, Hsp90-Inhibitoren, mTOR-Inhibitoren, PP2A-Aktivatoren und Apoptose-Induktionsmittel geprüft, alleine oder zusammen mit ATP-kompetitiven Inhibitoren, gegen Imatinib-resistente CML-Zellinien.

Ein möglicher Weg ist die Untersuchung von Molekülen, die bereits als Hemmer anderer Enzyme identifiziert wurden, z.B. als Aurorakinase-Hemmer bekannte Verbindungen sind ausgezeichnete Hemmer von T315I-mutiertem Bcr-Abl

Auch über andere Möglichkeiten der Resistenzüberwindung wurde berichtet. Eine davon beinhaltet die Expression des Bcr-Abl-Proteins mittels unterschiedlicher Techniken, einschließlich der Nutzung von Antisense-Oligonukleotiden (ASO), RNA-Interferenz (RNAi) Ribozymen oder Peptidnukleinsäuren (PNA). Über einige andere Ansätze, die Impfstoffe, DNA-Reparaturihemmern und Bcr-Abl-Einschlusstechniken verwenden, wurde auch berichtet.

In diesem Übersichtsartikel werden synthetisch hergestellte, kleine, entweder den Bcr-Abl-Signalweg der andere Signalwege beeinflussende Moleküle, über die in der Literatur der letzten Jahre berichtet wurde, besprochen.

Schlussfolgerung

Die Einführung von Imatinib im Jahre 2001 revolutionierte die CML-Therapie. Die Entdeckung der zweiten Generation von Inhibitoren, einschließlich Dasatinib und Nilotinib, repräsentiert einen weiteren Schritt nach vorne in der Therapie dieser schweren Krankheit. Trotzdem bleibt die Behandlung von Patienten mit gegen TKI hochresistenten Mutationen, insbesondere der T315I-Mutation, eine offene Frage.

Unter den auf Bcr-Abl abzielenden Derivaten ist der „Schalttaschen“-Inhibitor DCC2036 eine der vielversprechendsten Verbindungen und befindet sich derzeit in klinischen Studien zur Behandlung resistenter Formen der CML. Multi-Kinaseinhibitoren , insbesondere Aurora/Bcr-Abl-Hemmer, können eine Rolle als anti-proliferative Mittel wegen ihrer Fähigkeit, mehrere Signalwege gleichzeitig zu hemmen, spielen. Obwohl VX-680 wegen seiner Nebenwirkungen aufgegeben wurde, befinden sich zwei weitere Verbindungen, namentlich PHA-739358 und AT9283, mit ähnlichen Wirkmechanismen in fortgeschrittenen klinischen Studien.

Unter Berücksichtigung der Schwierigkeiten, die Resistenz der T315I-Mutation mit gezielt wirkenden Bcr-Abl-Hemmern zu überwinden, haben die Forscher begonnen, die Wirksamkeit von Verbindungen, die bereits für die Therapie anderer Erkrankungen und Krebsarten zugelassen sind, zu untersuchen. Diese Verbindungen wirken auf andere Signalwege ein, die durch die Überexpression oder Hyperaktivierung durch Bcr-Abl, wie MAPK PI3K und andere, verändert werden.
Der Raf-Kinasehemmer BAY 43-9006, von der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA für die Behandlung von Leber- und Nierenkrebs zugelassen, ist eines der vielversprechendsten Beispiele, und befindet sich gerade in einer Phase II-Studie für die Behandlung von Patienten mit gegen Imatinib resistenter CML. 

Weitere Möglichkeiten bestehen in epigenetischen Ansätzen oder der Nutzung von Signalwegen der Selbstzerstörung von Zellen; verschiedene Verbindungen einschließlich HDAC-Inhibitoren, Proteasom-Inhibitoren und PP2A-Aktivatoren werden als Mittel gegen CML untersucht.

Homoharringtonin (HHT) bzw. seine besser bioverfügbare Form Omacetaxin (OMA), ein seit langem bekanntes Naturprodukt, das die Proteinsynthese hemmt und bereits vor Imatinib erstmals klinisch verwendet wurde, befindet sich derzeit in einer Phase II-Studie zur Behandlung von CML-Patienten mit der T315I-Bcr-Abl-Genmutation. Es stellt eine der vielversprechendsten Verbindungen zur Therapie dieser Art der Resistenz dar.

Am Wahrscheinlichsten könnte eine Kombination verschiedener, auf unterschiedliche Angriffspunkte zielenden Tyrosinkinasehemmer ein wichtiges pharmazeutisches Werkzeug darstellen, um die mit der T315I-Mutation verbundenen Resistenzen zu überwinden. Neue Studien werden momentan durchgeführt.

Eine weitere wichtige Entwicklung der CML-Therapie zielt auf die Stammzellen ab, die normalerweise nicht von TKI erreicht werden. Auch diese Forschungen schreiten momentan voran.

Quelle: Auszug und inoffizielle Übersetzung aus "New Opportunities to treat the T315I-Bcr-Abl Mutant in Chronic Myeloid Leukemia: Tyrosine Kinase Inhibitors and Molecules that Act by Alternative Mechanisms, S. Schenone et al, Current Medicinal Chemistry, 2010, 17, 1220-1245". Übersetzung durch Niko, ohne Gewähr.